Knickt die Bundesregierung bei der sogenannten Chatkontrolle ein? Das ist eine Befürchtung von Grundrechte-Aktivist:innen nach dem Wechsel in Berlin von der Ampel zu Schwarz-Rot. Eine Antwort des Innenministeriums von Alexander Dobrindt (CSU) auf eine parlamentarische Antwort, die der FR vorliegt, könnte diese Befürchtung befeuern.
Die „Chatkontrolle“ ist eine Vorkehrung in einem Entwurf der EU-Kommission für eine „Verordnung zur Festlegung von Vorschriften zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“, kurz CSA-Verordnung. Dieser Gesetzentwurf sieht vor, dass private Kommunikationskanäle im Internet für Strafverfolgungsbehörden eine Möglichkeit schaffen müssen, Inhalte automatisiert auf Missbrauchs-Material zu scannen. Das betrifft notwendigerweise nicht nur verdächtige Inhalte, sondern alle Kommunikation und würde sichere Verschlüsselung von Inhalten verbieten.
Chatkontrolle: Klare Antwort auf Grünen-Anfrage bleibt aus
Auf die Frage der Grünen-Abgeordneten Jeanne Dillschneider, ob die Bundesregierung diesen Schritt ablehnt, gibt das Innenministerium nun keine klare Aussage.
Zunächst heißt es in der Antwort, dass „der Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen höchste Priorität“ habe. Das Ziel der EU-Verordnung, dafür „klare, dauerhafte und grundrechtskonforme Rechtsgrundlagen“ zu schaffen, begrüße man, und setze sich „weiterhin für den größtmöglichen Schutz aller betroffenen Grundrechte ein“.
Kritiker:innen der Chatkontrolle bemängeln aber, dass diese per Definition Grundrechte wie das auf private und freie Kommunikation unterminiert. Das Bündnis „Chatkontrolle stoppen“ hatte deshalb erst vor zwei Wochen an die neue Bundesregierung appelliert, keinem EU-Gesetz zuzustimmen, das sie einführen würde.
Dillschneider, die seit der Wahl im Februar Bundestagsabgeordnete und auch Vorsitzende des Grünen-Landesverbands im Saarland ist, kritisiert nun: „Die Bundesregierung drückt sich ganz bewusst um eine Beantwortung der Frage“ nach der Chatkontrolle.
EU-Verhandlungen stocken, Dänemark für Chatkontrolle
Mit dem Halbjahres-Wechsel am Dienstag hat Dänemark turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Mit dieser Rolle geht zwar nicht unmittelbar mehr Macht einher, aber die Möglichkeit, Prioritäten und die Tagesordnung für Verhandlungen zwischen den EU-Staaten zu setzen. Und die sozialdemokratische Regierung von Mette Fredriksen hat die umstrittene Verordnung mit an die Spitze ihrer Agenda gesetzt. Bisher war keine Einigung darauf zu Stande gekommen, zuletzt wurde unter der polnischen Ratspräsidentschaft im Mai darüber verhandelt.